Die meisten BewerberInnen tun sich mit der Frage "Was kann ich verdienen? "Wie viel Gehalt kann ich verlangen?" sehr, sehr schwer und es ist die mir am häufigsten gestellte Frage sowohl in der Personalvermittlung als auch im Karrierecoaching. Wenn Sie einen neuen Job, zum Beispiel als Assistentin oder Assistent suchen, ist es natürlich wichtig zu wissen, was Sie wert sind und welches Gehalt Sie verlangen können.
Gehaltsangaben in Stellenanzeigen würden eventuell helfen, die Frage nach der passenden Gehaltsvorstellung zu klären. Gehaltsangaben in Stellenanzeigen sind bei uns-im Gegensatz zu Österreich-jedoch nicht verpflichtend und noch immer recht selten finden. Das Stellenportal Stepstone ist jedoch bestrebt, mehr Transparenz in den Rekrutierungsprozess zu bringen und hat im Frühjahr 2021 Gehaltsprognose eingeführt.
Stepstone scheint eine also auf den ersten Blick eine gute Quelle für Gehaltsinformationen zu sein und möchte den Bewerbern wichtige Informationen an die Hand geben, die ihnen helfen sollen, fundierte Entscheidungen für ihre Karriere zu treffen. Durch die Bereitstellung von Gehaltsprognosen will das Portal den Jobsuchenden eine realistische Erwartung ihres möglichen Verdienstes ermöglichen.
Aber sind die Zahlen auch realistisch?
Gelingt Stepstone der Anspruch, die Bewerber sinnvoll zu unterstützen oder sieht die Wirklichkeit vielleicht doch ganz anders aus?
Darum geht es in diesem Artikel!
Wie kommen sie zustande und warum sollten Sie diese Zahlen genau unter die Lupe nehmen? In diesem Blog-Beitrag werde ich Ihnen meine ehrliche Meinung dazu sagen, ob die von Stepstone angegebenen Zahlen sich tatsächlich mit dem aktuellen Assistenz-Markt decken und ob sie Ihnen bei der Frage " Wie viel Gehalt kann ich verlangen?" eine hilfreiche Orientierung geben können.
Dazu ist es wichtig zu wissen, wie Stepstone auf die Zahlen kommt und warum sie eine Gehaltsspanne angeben.
Die Gehaltsprognose auf Stepstone basiert auf verschiedenen Kriterien, darunter die Stellenbezeichnung, der Standort und die Unternehmensgröße. Laut Aussage von Stepstone haben Datenwissenschaftler hierfür mehr als 600.000 Datensätze gesammelt und analysiert, um dieses Modell zu entwickeln. Stepstone wirbt damit, dass in den eigenen Testergebnissen die Prognosen genau waren und nur geringfügig um +/- 4% angepasst werden mussten. (Spoiler: Diese Aussage deckt sich definitiv NICHT mit der aktuellen REALEN Marktsituation im Sekretariat und Office Management!))
Das Geschäftsmodell von Stepstone basiert primär auf dem Verkauf von Stellenanzeigen bzw. dem Verkauf (Zugriff) von Kandidatenprofilen in der Datenbank - soweit so bekannt.
Der Markt ist jedoch hart umkämpft - die Zeiten des "post and pray" (Also eine Anzeige schalten und abwarten, bis die tollen Bewerbungen nur so hereinfliegen) sind längst vorbei. Wir haben derzeit einen Bewerbermarkt und Unternehmen denken heute sehr genau darüber nach, wo sie ihre Anzeigen schalten und wollen natürlich den effektivsten Kanal wählen. Daher versucht Stepstone, für Unternehmen so attraktiv wie möglich zu sein, indem es mehr Bewerbungen für den Kunden generiert und eine große Kandidatendatenbank zur Verfügung stellen.
Der "Trick" ist ganz einfach.
Stellenanzeigen mit Gehaltsangaben generieren:
Das haben Studien ergeben.
Mehr Job-Agent-Abonnenten und Kandidaten im Pool
Die Zahl der Bewerber, die sich per Job-Agent neue Stellenangebote zusenden lassen und/oder ihren Lebenslauf in die Datenbank bei Stepstone hochladen stieg seit der Angabe einer Gehaltsspanne in den Stellenanzeigen an. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Gehaltsprognosen als (kostenlose) Dienstleistungen bzw. Informationsquellen für Bewerber attraktiv sind. Die Gehaltsprognosen spielen laut eigener Aussage von Stepstone eine Schlüsselrolle beim Abonenntenwachstum.
Je höher die Zahl der Newsletter Abonnenten ist, desto besser für die Verkaufsargumentation für Stepstone.
Mehr Bewerbungen
Einer der wichtigsten Faktoren, der die Entscheidung eines Arbeitssuchenden beeinflussen kann, sich auf eine Stelle zu bewerben, ist das Gehalt. Wenn in einer Stellenanzeige keine Gehaltsspanne angegeben ist, überspringen viele Bewerber die Stelle und suchen weiter. Sie wollen ihre Zeit nicht damit verschwenden, sich auf eine Stelle zu bewerben, deren Gehalt nicht ausreicht, um ihre Grundbedürfnisse zu decken.
Geringer Abbruchraten im Bewerbungsprozess
Wenn Kandidaten jedoch direkt in der Anzeige eine Gehaltsspanne sehen, werden sie laut Studie nicht mehr durch externe Informationsquellen abgelenkt. Die logische Folge davon ist eine geringere Abbrecherquote im Bewerbungsprozess. Es ist wahrscheinlicher, dass Kandidaten den gesamten Bewerbungsprozess abschließen, wenn sie wissen, welches Gehalt sie erwarten können.
Je mehr Bewerbungen ein Kunde also erhält bzw. je mehr Kandidatenprofile er in der Datenbank vorfindet, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er den perfekten Kandidaten für die Stelle findet. Und desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich bei der nächsten Einstellung wieder an Stepstone wenden. Erfolgreiche Kundenbindung (und der damit verbundene Umsatz) ist das gewünschte Resultat.
Gehaltsspannen tragen dazu bei, Unstimmigkeiten zwischen Arbeitssuchenden und Arbeitgebern zu vermeiden. Wenn beide Parteien wissen, wonach die andere Seite sucht, ist es einfacher, zueinander zu finden. Stichwort "Augenhöhe". Folglich können Gehaltsspannen sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer zu einer höheren Zufriedenheit führen und eine faire Ausgangssituation für den Gehaltsdialog bieten.
Eine Gehaltsprognose kann also sowohl für Arbeitssuchende als auch für Arbeitgeber ein hilfreiches Instrument sein. Sie kann dazu beitragen, dass Arbeitssuchende nicht unterbezahlt werden und dass Arbeitgeber auch nicht zu viel für eine Stelle bezahlen. Sie ist außerdem ein großartiges Instrument für Unternehmen, um mehr Bewerber anzuziehen, denn es ermöglicht ihnen zu sehen, welche Gehaltsspanne sie für eine bestimmte Stelle anbieten sollten, um passende (!) Bewerber anzusprechen.
Ich bin der Meinung, dass Arbeitgeber ihre Gehaltsvorstellungen transparenter darstellen sollten. Dann wüssten die Bewerber, ob sie sich je nach ihren persönlichen Gehaltsvorstellungen auf eine Stelle bewerben sollten oder nicht. Durch Transparenz und Offenheit bei den Gehaltsvorstellungen können beide Seiten Zeit und Energie sparen. Stepstone macht mit der Angabe von Gehaltsspannen definitiv einen ersten Schritt in die richtige Richtung...
Wenn Sie sich die Stellenanzeigen ansehen, werden Sie feststellen, dass die Gehaltsspannen recht groß sein können.
Eine einzige Anzeige auf Stepstone kann beispielsweise ein Gehalt als Assistenz der Geschäftsführung zwischen 30.000 € und 80.000 € enthalten. (Siehe Screenshot oben ).In einigen Fällen liegt die Spanne bei meiner Stichprobe sogar bei über 280%!!!!!
Der Hauptgrund ist, dass der Datensatz retrospektiv ist: Mittlerweile hat Stepstone etwa eine halbe Million Daten, die nicht älter als zwei Jahre sind. Darüber hinaus berücksichtigt der Algorithmus Faktoren wie Standort, Unternehmensgröße und Branche. Zum Beispiel verdienen Assistenzen in Berlin tendenziell weniger als z.B. in Frankfurt oder München oder große Konzerne zahlen (angeblich! ;-)) besser als kleinere. (In meiner über 20-jährigen Recruitingpraxis für Office Professionals kann ich das ebenfalls nicht bestätigen. Die Realität sieht oft anders aus!)
Auch wenn sich zwei Jahre recht kurz anhören.. wir alle wissen, dass in den letzten zwei Jahren sehr, sehr viel passiert ist. Nach anfänglichen coronabedingten defensiven Recruitingaktivitäten, Einstellungsstopps und Entlassungen haben wir jetzt einen absoluten Bewerbermarkt. Der Kampf um gute Talente ist härter als je zuvor, und die Arbeitgeber sind bereit, viel Geld zu zahlen, um die besten Kandidaten für ihre Assistenzstelle zu bekommen.
Wir leben weiterhin in einer Zeit der extremen Volatilität - daher wage ich die These, dass auch die Gehaltsdaten, die in der Zukunft gesammelt werden, ebenfalls sehr hohe Ausschläge haben werden...denn die geopolitische Zukunft und die daraus resultierenden möglichen wirtschaftlichen Konsequenzen sind extrem unsicher und können sich erneut sehr schnell auf den Arbeitsmarkt auswirken.
Die Gehaltsschätzung bei Stepstone mag Jobsuchenden zwar einen Anhaltspunkt geben, ist aber nicht wirklich hilfreich, wenn es darum geht, eine realistische Gehaltserwartung zu nennen. Eine bessere Strategie ist es, ergänzend Quellen zu nutzen.
Alternative Informationsmöglichkeiten für die Gehaltsrecherche
Sie können z.B. das Durchschnittsgehalt für Ihre Position in Ihrer Stadt oder Region zu recherchieren. Alternativ können Sie sich auch an einen professionellen Personalberater oder Karrierecoach wenden, der Ihnen helfen kann, eine angemessene Gehaltsspanne auf der Grundlage Ihrer Erfahrung und Fähigkeiten zu ermitteln.
Wenn es um das Gehalt geht, gibt es einen schmalen Grat zwischen einer zu hohen und einer zu niedrigen Forderung. Als Bewerber möchten Sie zeigen, dass Sie eine realistische Vorstellung von Ihrem Wert auf dem Markt haben. Gleichzeitig wollen Sie sich aber auch nicht unter Wert verkaufen und am Ende unterbezahlt sein. Wie können Sie also das richtige Gleichgewicht finden?
Es gibt einige Dinge, die Sie bei der Angabe Ihres Wunschgehalts beachten sollten.
"Mein Wunschgehalt beträgt 65.000 € pro Jahr, aber ich bin bereit, auf der Grundlage des Budgets Ihres Unternehmens und meiner Qualifikationen zu verhandeln." Indem Sie flexibel und verhandlungsbereit sind, erhöhen Sie Ihre Chancen, ein Angebot zu erhalten, das Ihren Bedürfnissen entspricht.
"Meine Gehaltsvorstellung liegt zwischen 50.000 und 53.000 Euro brutto pro Jahr." Dies zeigt, dass Sie verhandlungsbereit sind, aber auch, dass Sie eine genaue Vorstellung davon haben, welches Gehalt Sie mindestens akzeptieren können.
Wenn es sich bei der Stelle, auf die Sie sich bewerben, um eine Teilzeitstelle handelt, sollten Sie in Ihrer Antwort auch Angaben zu den Arbeitsstunden pro Woche machen. Zum Beispiel: "Meine Gehaltsvorstellung liegt bei 20.000-21.400 € pro Jahr für 20 Stunden pro Woche."
Und wenn die Stelle Boni oder andere variable Vergütungen vorsieht, sollten Sie dies ebenfalls in Ihrer Antwort erwähnen. Zum Beispiel: "Meine Gehaltsvorstellung liegt bei c.a. 68.000 € pro Jahr, einschließlich Bonus"
Es ist sicherlich eine gute Sache, dass Jobportale für mehr Transparenz bei den Gehältern sorgen, aber man darf nicht vergessen, dass diese Gehaltsprognosen eben nur Prognosen sind. Sie sind nicht unbedingt für jede Stelle zutreffend und sollten nicht als bare Münze genommen werden.
Bei den Gehältern gibt es je nach Erfahrung, Qualifikation und Standort eine große Bandbreite an Unterschieden. Zwar können die Gehaltsangaben von Stepstone oder anderen Datenbanken einen ersten hilfreichen Ausgangspunkt für Gehaltsverhandlungen bieten, doch sollten Sie nicht vergessen, dass zwischen Mindest-, Durchschnitts- und Höchstgehalt oft ein erheblicher Unterschied besteht. Sie sollten außerdem bedenken, dass es sich bei den Zahlen um Durchschnittswerte handelt. Das bedeutet, dass einige Personen mehr als den prognostizierten Betrag verdienen werden, während andere weniger verdienen werden. Wenn Ihnen also ein Gehalt angeboten wird, das unter der Stepstone-Prognose liegt, sollten Sie nicht automatisch davon ausgehen, dass das Unternehmen versucht, Sie unter Wert einzukaufen.
Verwenden Sie die Zahl stattdessen als Ausgangspunkt für Verhandlungen.
Bei einer so großen Bandbreite an Gehältern kann es schwierig sein, zu beurteilen, was eine faire Vergütung für Ihre speziellen Fähigkeiten und Ihre Erfahrung ist. Es unterstreicht nur, wie wichtig es ist, dass Sie viel tiefer recherchieren, um Ihren wirklichen Wert auf dem Markt kennen!
Wenn Sie den Job wechseln, ist es oft hilfreicher, Menschen zu fragen, die Sie kennen und die mit den Gehältern in der von Ihnen gewünschten Branche vertraut sind. Das können frühere Kollegen, Freunde oder sogar Kontakte in der Personalabteilung sein. Diese können Ihnen in der Regel eine realistischere Einschätzung geben, die auf Ihren Qualifikationen und der Art der angestrebten Position basiert. Also: "Aus der Praxis- für die Praxis" (nicht ohne Grund unser Motto hier bei SÜDPOOL). Außerdem kann ein professioneller und auf Ihren Bereich spezialisierter Karrierecoach Ihnen dabei helfen, Ihre individuelle Gehaltsvorstellung einzuschätzen und gleichzeitig dabei helfen, das bestmögliche Gehalt für Ihre neue Stelle auszuhandeln.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihren Gehaltsverhandlungen und dass Sie (endlich?!) verdienen, was Sie verdienen!
Ihre
Constanze Wiedermann